Vancouver July - September 2007 |
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Liebe Angehörige, Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen! Auf dieser Website schildere ich meine Eindrücke des Studienaufenthaltes in Vancouver, und zwar in Form eines Tagebuches und mit zahlreichen Bildern. Ich wünsche viel Vergnügen bei der Durchsicht! Herzliche Grüsse! September 2007, Josef Dudli |
Dear
fellow-ILSC-students from all over the world! On this website I try to describe my impressions of my stay in Vancouver. The diary is written in German only, but you are of course kindly invited to enjoy the pictures. It was nice to meet so many wonderful people. Have a good time, and best wishes for your future! Take care! September 2007, Josef Dudli (Switzerland) |
Tagebuch: [gleich zum aktuellen Eintrag springen]
Samstag,
21. Juli
Flug von Zürich über Frankfurt nach Vancouver mit Lufthansa. Seltsam,
man fliegt um 13 Uhr in Frankfurt ab und landet um 14 Uhr in Vancouver. Trotzdem
liegen 10 Stunden Flug dazwischen mit 2 Mahlzeiten. Das gibt einen langen Tag.
Ankunft in Vancouver, in der Stadt, die ich seit 28 Jahren nicht mehr gesehen
habe. Ich werde abgeholt von der Gastgeber-Familie und ins neue Zuhause gefahren.
Mein Sprachtraining beginnt bereits im Auto, wo die beiden Kinder (Pablo 8 und
Yussef 10) mich mit Fragen durchlöchern. Die Fragen der Kinder verstehe
ich, das ist schon mal ein gutes Zeichen. Der Mann (John) stammt aus der Türkei,
die Frau (Reyna) aus Mexiko, beide sind jedoch schon rund 15 Jahre in Vancouver.
Die Kinder sprechen natürlich völlig akzentfrei. Ankunft im neuen
Heim, Zimmerbezug und ein feines Nachtessen. Bereits sind zwei andere Studenten
hier: Etsuko (weiblich) aus Japan und Arthur aus der Türkei.
Sonntag,
22. Juli
Ein weiterer Student trifft ein, Leonardo aus Brasilien. Da hier die Läden
auch sonntags geöffnet haben, beschaffe ich die ersten mir fehlenden Dinge.
Am Nachmittag zeigt John mir und Leonardo den Schulweg. Zuerst eine Busfahrt
und dann Umsteigen auf den Skytrain, eine Hochbahn, die in Downtown dann zur
U-Bahn mutiert.
John hat in mir einen langgesuchten Schachpartner gefunden, und wir spielen
von nun praktisch jeden Tag ein Spiel. Ohne die notwendige Schach-Erfahrung
und Uebung verliere ich jedoch meistens. Immerhin weiss ich jetzt, dass in Englisch
ein Bauer kein farmer, sondern ein pawn ist. Der Läufer ist kein runner,
sondern ein bishop, der Turm kein tower, sondern ein rook (auch castle), und
der Springer kein horse, sondern ein knight.
Montag,
23. Juli
Info- und Testtag an der Schule, der ILSC
(Interntional Language School of Canada).
Nach dem schriftlichen Eintrittstest und dem persönlichen Eintrittsgespräch
erfolgt die Einteilung. Die Leute hier finden meine verbliebenen Rest-Englisch-Kenntnisse
offenbar noch für so gut, dass sie denken, ich könne ruhig Advanced-Level-Kurse
besuchen, schon zu Beginn. Okay, die müssen es ja wissen. In Absprache
mit meiner Gesprächspartnerin werde ich am Vormittag in den Kurs „International
current events“ und am Nachmittag in den Kurs „Small business development“
eingeteilt. Da ich ja nicht zum Vergnügen hier bin, habe ich im Gegensatz
zu den meisten Studenten hier einen Intensivkurs mit Ganztagsprogramm von 9
– 4 Uhr. Um 6 Uhr findet jeweils das Nachtessen mit der Gastfamilie statt,
und in der Rush Hour muss man mit einer Stunde Rückfahrt rechnen. So bleibt
jeweils noch eine Stunde nach der Schule für einen Downtown-Aufenthalt.
Dienstag,
24. Juli
Am Morgen starte ich meinen ersten Kurs. Der Kurs „International current
events“ hat schon vor einer Woche begonnen und ich komme, zusammen mit
einer Brasilianerin, neu dazu. Bereits da sind 4 Südamerikaner, 2 Koreaner,
ein Türke und ein Westschweizer. Ich bin also der einzige Deutsch Sprechende.
Das aktuelle Thema sind die Viermächtegespräche zur Lösung des
Koreaproblems. Der Koreaner wird gebeten, uns diese zu erklären. Ich verstehe
kein Wort. Kann ich so schlecht Englisch oder spricht dieser Koreaner so schlecht?
Seltsamerweise verstehe ich alle anderen, inklusive den Lehrer prächtig,
und ich kann gut mitdiskutieren. Der Kurs ist so aufgebaut, dass die einzelnen
Studierenden jeweils Vorträge zu irgendwelchen aktuellen politischen Themen
vorbereiten müssen, und aufgrund des Vortrages erfolgt dann die anschliessende
Diskussion.
Am Nachmittag starte ich den zweiten Kurs, „Small business development“. Ich bin der einzige neue, und die bereits Anwesenden stellen sich mir artig vor, und ich mich ihnen. Wenn es ums Business geht, sind die Schweizer und Deutschen präsent. 4 Schweizer (3 Deutschschweizer und ein Romand), 3 Deutsche, 1 Franzose, 1 Brasilianer, 1 Italiener, 4 Koreaner bilden die Klasse. Die Koreanerin verstehe ich sehr gut, aber mit den 3 männlichen Koreanern habe ich wieder meine liebe Mühe. In den kommenden 3 Wochen soll ein Businessplan-Leitfaden durchgearbeitet werden, und die einzelnen Bereiche (zum Beispiel Wahl der Rechtsform, Marketing, Finanzen etc.) werden zuerst durch Zweiergruppen in einer Präsentation erläutert, und dann jeweils durch den Lehrer weiter ergänzt und durch Uebungen und Fallbeispiele vertieft. Der Koreaner Martin und ich kriegen den finanziellen Teil, weil sonst niemand dies will. Mir ist es recht. Lehrer Bob hat grosse praktische Erfahrung, die er in den Unterricht einbringen kann. Er führte viele Jahre lang ein Kleinunternehmen im Bereich Abenteuerferien. Interessant ist für mich, dass das Gesellschaftsrecht und die Rechtsformen von Unternehmungen in Kanada und in der Schweiz doch recht ähnlich sind.
Da die Schule eine strikte „English Only Policy“ im Schulareal verfolgt, halten uns auch wir Deutsch Sprechenden daran und sprechen in den Pausen brav Englisch miteinander. Diese eigentlich nur auf dem Schulareal geltende Vorschrift wird durch uns Studierende dann im Laufe der Zeit sogar noch ausgeweitet. Auch ausserhalb des Schulareals und auf gemeinsamen Ausflügen wird auch unter Schweizern und Deutschen praktisch ausnahmslos Englisch gesprochen.
Nach der Schule entdecke ich – zum ersten Mal wieder nach 28 Jahren – zu Fuss Downtown Vancouver. Es hat sich stark verändert, sowohl die Zusammensetzung der Leute (viele Hongkong-Chinesen sind zugewandert) und die Bauten. Interessant sind die vielen Radwege in der Stadt und in den Parks. Ich liebe Canada Place, ich liebe das Promenieren durch Gastown, doch die frühere Gemütlichkeit der Robsonstreet ist verschwunden. (Allein in dieser Strasse gibt es mindestens 10 Starbucks). Den Stanley Park verschiebe ich auf später.
Mittwoch
25. Juli
Am Mittag haben wir - das sind etwa 10 an einem betrieblichen Praktikum Interessierte
- eine erste Orientierung bei Amanda, der Koordinatorin des Workplace-Programms.
Nach sechs Wochen Schule möchte ich gerne im Rahmen meiner Weiterbildung
in einem kanadischen Betrieb ein Praktikum absolvieren, vorzugsweise im Bereich
Finanzen.
Donnerstag
26. Juli
Nach der Orientierung vom Vortag kommt heute das individuelle persönliche
Gespräch mit der Workplace-Koordinatorin. Sie denkt, dass es kein Problem
sei, für mich im Finanzbereich in Downtown Vancouver eine Praktikumsstelle
zu finden. Rechnungswesenleute gibt es unter den Studierenden doch eher selten,
die meisten wollen in den Marketingbereich. Dann bespricht sie meine Bewerbungsunterlagen
und gibt diese zur Korrektur. In Kanada darf ein Bewerbungsschreiben und ein
Lebenslauf weder ein Foto noch das Geburtsdatum noch den Zivilstand enthalten.
Im Rahmen des Antidiskriminierungsgesetzes dürfen Aussehen, Alter und Zivilstand
absolut keine Rolle bei der Personalrekrutierung spielen und dürfen in
einem Bewerbungsschreiben nicht „verkauft“ werden. Oft würden
solche Bewerbungen durch die Firmen gleich in den Papierkorb geworfen, um ja
keine Antidiskriminierungsklage zu riskieren.
Samstag,
28. Juli
Die erste Schulwoche ist vorbei. Die vergessen geglaubten Englischkenntnisse
sind wieder nach und nach aufgetaucht, und es geht schon recht gut. Ich geniesse
den ersten freien Tag zum Einkaufen und zur Wiederentdeckung der Stadt. Für
die gebuchte Rocky-Mountains-Tour sind warme Kleider und gutes Schuhwerk und
ein Rucksack verlangt. In Gastown und in der Robson-Street werde ich fündig.
Mit Jacke und Wanderschuhen im Rucksack mache ich mich auf zum Canada Place
am Hafen, wo mächtige Kreuzfahrt-Schiffe mit Ziel Alaska auf ihre Ausfahrt
warten. Von dort auch steige ich in einen Stadtrundfahrts-Bus mit offenem Verdeck.
Im Stanley-Park verlasse ich den Bus und erkunde den nördlichen Teil des
Parks zu Fuss. Die Totempfähle, die Eichhörnchen, die herrliche Aussicht
auf das Meer und die Meeresbucht sind noch da, wie vor 28 Jahren. So lege ich
im Laufe des Tages zahlreiche Kilometer zu Fuss zurück.
Sonntag
29. Juli
Das Wetter ist nicht ideal. Ich bleibe zu Hause und spiele Schach mit John.
Es scheint mein Schach-Glückstag zu sein. Von 3 Spielen endet eins Patt
und zwei gewinne ich, was eine Ausnahme ist. Nicht nur mit dem Englisch, auch
mit dem Schach scheint es aufwärts zu gehen. Ausserdem muss ich noch meinen
Vortrag im Fach „International current events“ vorbereiten. Titel:
Das politische System der Schweiz. Punkt 12 Uhr Mittags ertönt ein Lärm
von draussen, John mäht den Rasen, sonntags um 12 Uhr! Ich mache ihn darauf
aufmerksam, dass dies in der Schweiz gleich doppelt verboten wäre: Verstoss
gegen die Mittagsruhe und die Sonntagsruhe. Abends beim Nachtessen spricht er
mich nochmals darauf an und fragt, ob das mit dem Verbot in der Schweiz lediglich
ein Witz von mir gewesen sei, oder ob ich das tatsächlich ernst gemeint
hätte!
Montag
30. Juli
Nach der Schule: Zu fünft (3 CH, 1 D, 1 Korea) besuchen wir den Hausberg
von Vancouver, den Grouse Mountain. Selbstverständlich wird – auch
aus Rücksicht gegenüber dem Koreaner – nur Englisch gesprochen.
Wir fahren mit der Fähre (hier Sea Bus genannt), zum Nordufer und von dort
mit dem Bus zur Talstation. Da die Kanadier nicht einen gewundenen Bergwanderweg,
sondern einfach eine steile Direttissima mit Treppenstufen und 1000 m Höhendifferenz
im dunklen Wald erstellt haben, verzichte ich im Gegensatz zu meinen Kollegen
auf den Fussmarsch und nehme die Bahn. Oben geniessen wir bei untergehender
Sonne die herrliche Aussicht auf Stadt und Meer.
Mittwoch
1. August
Ausgerechnet an unserem Nationalfeiertag habe ich die Ehre, meinen Vortrag über
das politische System der Schweiz halten zu dürfen. Zielpublikum sind in
der Vormittagsklasse hauptsächlich Koreaner und Südamerikaner. Neu
sind für sie das siebenköpfige Regierungsgremium anstelle eines starken
Regierungschefs, die wechselnden Koalitionen und die Möglichkeit von Initiative
und Referendum. Eineinhalb Stunden dauert der Vortrag, unterbrochen durch zahlreiche
Zwischenfragen der Studierenden und des Lehrers. Ich verstehe inzwischen sogar
die Fragen des Koreaners, also muss entweder er oder ich mich irgendwie verbessert
haben, oder vielleicht beide. (Uebrigens legen sich praktisch alle Koreaner
hier der Einfachheit halber zu Studienzwecken vorübergehend einen westlichen
Vornamen zu. Die beiden in unserer Vormittags-Klasse nennen sich schlicht Martin
und Sophia, die am Nachmittag Martin, Marc, Rex und Erin.) Anschliessend dauert
die Diskussion weitere eineinhalb Stunden, und der Vormittag ist vorbei.
Freitag,
3. August
Das lange Wochenende beginnt schon heute, und am Montag ist der Provinzfeiertag
von British Columbia. Wir starten eine 4-tägige Rocky-Mountains Tour. Gleich
3 Busse zu 50 Studenten machen sich auf zur total 2000 km langen Fahrt. Erste
Uebernachtung ist in Valemount am Fuss der Rockies. Abends sitze ich mit einem
Tschechen, einem Italiener und einem Deutschen am Tisch und wir geniessen ein
kühles Bier. So zufällig frage ich den Tschechen Ladislaw nach seinem
Wohnort, und er nennt zu meinem Erstaunen Liberec. Ich weise ihn auf die Partnerschaft
St. Gallen – Liberec hin und erkläre ihm, dass auch zwischen meiner
Gemeinde Grabs und Liberec ein recht reger Austausch herrsche. Darauf erklärt
er mir, dass er Bauingenieur sei und im Rahmen eines solchen Austausches vor
einigen Jahren auch in Grabs gewesen sei. (Bilder
der Rocky Mountains Tour)
Samstag,
4. August
Wir tauchen ein in die Welt der Rocky Mountains und deren atemberaubenden Kulisse.
Hier die Highlights in Stichworten: Mount Robson (leider im Nebel), Yellowhead-Pass,
Jasper, Athabasca-Wasserfälle, Columbia Icefield, Peyto-Lake, Banff. In
Banff – so quasi das St. Moritz der kanadischen Rockies, auch in Sachen
Preise – beziehen wir unsere Zimmer und geniessen den Abend.
Sonntag
5. August
Wir entdecken die Umgebung von Banff und machen uns anschliessend auf den Weg
nach Lake Louise, wo wir im sündhaft teuren Hotel auf der warmen Sonnenterasse
für nur 3 Dollar 95 einen Capuccino geniessen. Anschliessend gehts über
den Kicking-Horse-Pass wieder auf die Westseite der Rockies, nach Golden, wo
wir die Zimmer beziehen.
Ein Barbecue ist vorbereitet, anschliessend erhalten wir eine lustige Country-Tanzlektion
in Line-Dancing. Dann sitzt alles bis weit nach Mitternacht am Lagerfeuer und
man probiert Lieder zu singen, die möglichst alle können, was aber
gar nicht so einfach ist. Irgendwann zu später Stunde singen die beiden
Reiseleiter Shelly und Pete die kanadische Nationalhymne. Da ich – als
Eishockeyfan – wenigstens die Melodie, jedoch nur einzelne Brocken des
Textes kenne, singe bzw. summe ich so gut es geht mit. Das später vorgenommene
Googeln brachte dann folgendes Textergebnis in Sachen Nationalhymne:
O
Canada (Canadian national anthem) O Canada! Our home and native land! True patriot love in all thy sons command. With glowing hearts we see thee rise, The True North strong and free! From far and wide, O Canada, We stand on guard for thee. God keep our land glorious and free! O Canada, we stand on guard for thee. O Canada, we stand on guard for thee. |
Ô Canada! Terre de nos aïeux, Ton front est ceint de fleurons glorieux! Car ton bras sait porter l'épée, Il sait porter la croix; Ton histoire est une épopée Des plus brillants exploits. Et ta valeur de foi trempé Protégera nos foyers et nos droits; Protégera nos foyers et nos droits. |
Montag 6. August
Die lange Rückreise von Golden nach Vancouver beginnt. Trotz des langen
Wochenendes mit starkem Rückreiseverkehr gelangen wir, dank der Ortskenntnisse
der Chauffeuse, auf Schleichwegen mehr oder weniger zügig und rechtzeitig
zurück nach Vancouver. Ein unvergesslicher Trip geht zu Ende.
Dienstag
7. August
Der Koreaner Martin und ich haben die Aufgabe, im Nachmittagskurs „small
business development“ der Klasse den finanziellen Teil des Businessplans
zu erklären, und zwar Bilanz, Erfolgsrechnung, Geldflussrechnung, Liquiditätsplanung
und Finanzierung. Die Sachkenntnisse sind zwar da, aber das Problem sind die
richtigen englischen Ausdrücke. Der Computer machts möglich, dank
Google und Wörterbüchern haben wir schliesslich das Vokabular mehr
oder weniger fehlerfrei beieinander.
Donnerstag
9. August
Im Nachmittagskurs „Small business development“ sind Schluss-Referate
angesagt. Wir müssen für ein selbstgewähltes Beispiel einen Businessplan
bzw. die wesentlichen Elemente in geraffter Form in einem 10minütigen Vortrag
der Investorengruppe, gebildet durch die ganze Klasse, erläutern. Das Referat
wird durch die Mitschüler benotet (Punktemaximum = 20 Punkte) und der Lehrer
ermittelt aufgrund dieser Daten für den Folgetag den Durchschnitt. Die
Qualität der meisten Referate ist sehr gut, und ich benote die meisten
mit 15 bis 19 Punkten.
Freitag
10. August
Die erste Session (eine Session dauert 4 Wochen, und ich bin direkt in der 2.
Woche eingestiegen), ist zu Ende. Die Vormittagsklasse besucht „Little
Italy“, und am Nachmittag werden die Ergebnisse der Schlusspräsentationen
des Vortags bekannt gegeben. Mit einer leisen Enttäuschung stelle ich fest,
dass ich lediglich etwa im Mittelfeld gelandet bin. Die Erklärung dafür
liefert Bob, der Lehrer: Er stelle fest, dass lediglich ich faire Noten erteilt
hätte, während andere offenbar selbst für Spitzenvorträge
oft nur 8 Punkte von 20 gegeben hätten. Meine hohen Notengebungen haben
also die Durchschnitte aller anderen nach oben getrieben, während ich nur
die tiefen Noten der Mitschüler erhielt, und somit nicht über 14,4
Punkte hinauskam. Die separate schriftliche Beurteilung von Bob für meine
Präsentation befriedigt mich dann wieder: „excellent presentation,
very professional, you spoke clearly and made very few grammatical errors“.
Immerhin! Und sogar mit den Koreanern kann ich mich nach 3 Wochen leidlich verständigen.
Wenn das kein Fortschritt ist? Anschliessend geht auch unsere Small-Business-Klasse
noch auf die Gasse, und zwar ins Kitsilano-Einkaufsgebiet an die West 4th Avenue,
wo uns Bob die Entstehungsgeschichte etlicher Kleinbetriebe erläutert.
Nach der Schule ist schönes Wetter. Was tun? Spontan entschliesse ich mich, endlich einmal den Aussichtsturm im Harbour Center zu besuchen, mit einem herrlichen Rundblick über die Stadt. Ich steige aus dem Lift und höre Schweizerdeutsch. Aha, hier hat es goppel noch weitere Schweizer. Man stellt sich vor. Dudli Buchs SG (Grabs oder Werdenberg getraue ich mich in Vancouver gar nicht zu sagen…) Alder Urnäsch, die von der Streichmusik Alder. Nein kein Konzert, nur Ferien. Ah, ob ich einen Herrn Tinner aus Grabs kenne? Selbstverständlich! Und ich verspreche den Alders, dass ich noch am selben Abend per Mail einen Gruss der Alders an Ueli Tinner sende.
Samstag,
11. August
Heute finde ich endlich Zeit, an der Internetseite mit Tagebuch und Bildern
zu arbeiten. Zudem versuche ich mich erstmals an einer amerikanischen Waschmaschine,
und hoffe, dass die Temperatur stimmt und die T-Shirts nicht schrumpfen. Nachmittags
gehen Leonardo und ich zu Johns Töpferwerkstatt
mit Laden. Dort kaufe ich einige Mitbringsel ein, die man aber trotz Zerbrechlichkeit
einigermassen heil in die Schweiz mitnehmen kann.
Sonntag,
12. August:
Heute kann ich weiter an der Internetseite basteln. Zudem gehe ich in die Innenstadt,
um den bis jetzt vernachlässigten östlichen Teil zu erkunden, mit
dem gedeckten Football-Stadion, das dann für die olympischen Spiele 2010
als Eröffnungsstadion dienen wird. Das Stadion ist mit einer Art Plastikdach
überdeckt, welches einzig durch einen leichten Luft-Ueberdruck gehalten
wird. Grund für dieses Dach: Da es in Vancouver im Februar sowieso immer
regne (Vancouver hat ein relativ mildes Meeresklima mit Durchschnittstemperaturen
von über 0 Grad im Winter), könne man trotzdem für eine trockene
Eröffnungsfeier garantieren. Der Skisport wird dann im etwas entfernten,
wesentlich kälteren Whistler durchgeführt. Gleich vis-a-vis dieses
Stadions ist das General-Motors-Eishockeystadion für die NHL-Mannschaft
"Vancouver Canucks".
Gleich gegenüber dem Schulcampus ist die Kathedrale der katholischen Kirche
(hauptsächlich Iren). Ich habe noch nie einer englischsprachigen Messe
beigewohnt und besuche während meines sonntäglichen Stadtbummels den
11Uhr-Gottesdienst. Der katholische Mess-Ritus ist ja weltweit der selbe, es
ist einfach in Englisch, und die Antworten und Gebete der Gläubigen sind
ebenfalls englisch und für mich unbekannt. Für die Lieder jedoch hat
man ein Gesangbuch als Spickzettel, und auf der Innenseite des Buchdeckels sind
Vaterunser und Glaubensbekenntnis aufgedruckt. Die Hörverstehens-Uebung
der Predigt ist dann doch etwas schwieriger. Wegen des Widerhalls ist das Verstehen
schwierig, und ich bekomme so etwa die Hälfte mit. So müsste ich etwa
das Selbe antworten, wie seinerzeit der Hansli, der bei der Predigt nicht aufpasste
und von der Mutter über den Inhalt befragt wurde. "Worüber hat
der Pfarrer gesprochen?" - "Eh, irgendwie über die Sünde."
- "Und was hat er genau gesagt?" - "Aehm, aehm, er war dagegen,
glaube ich."
An dieser Stelle wünsche ich meinen Lehrerkolleginnen und -kollegen vom BZR einen guten Start ins neue Schuljahr! Heute Abend um 10.35 Uhr Vancouver-Time ist es ja soweit.
Montag,
13. August
Die neue Kurs-Session beginnt heute. Ich besuche am Vormittag den Kurs "International
Business Practices", der wie schon der erste Kurs von Lehrer Bob erteilt
wird, was mich besonders freut. Das Klassenzimmer ist voll, und die Qualität
der neuen Teilnehmer scheint aufgrund der ersten persönlichen Vorstellungsrunde
recht hoch zu sein, so dass ich mich hier tüchtig anstrengen muss. Das
Schwergewicht des Teilnehmerfeldes ist Südamerika und Ostasien, ich bin
der einzige Schweizer. Am Nachmittag besuche ich - wie schon bisher - den Kurs
"International Current Events", da hier die Themen dauernd wechseln.
Wir kriegen aber einen neuen Lehrer - David - an dessen Sprache ich mich wieder
gewöhnen muss: Leicht schottischer Akzent, spricht sehr schnell und verschluckt
auch einzelnen Silben. Fürs Hörverstehens-Training ist dies aber ganz
gut. Trotz der eher ernsten Themen ist er sehr humorvoll und schlagfertig und
selten um eine Pointe verlegen, vorausgesetzt, man versteht sie. So hat er auf
den Hinweis einer Koreanerin auf seinen englischen Akzent leicht naserümpfend
trocken geantwortet, dass es doch eigentlich in dieser Schule unüblich
sei, die Lehrer zu beleidigen. Und wenn man seinen schottischen Akzent mit einem
englischen Akzent verwechsle, so sei das halt schon eine Beleidigung für
jeden Schotten.
Dienstag,
14. August
Heute ist ein strahlender sonniger Tag mit relativ warmer Temperatur, so um
die 24 Grad. Da ich schon des öfteren zugeben musste, noch nie in meinem
Leben in einem Starbucks einen Kaffee bestellt zu haben, hole ich dies nach
Feierabend nach, um diese Bildungslücke endlich zu schliessen. In der Robson-Street
genehmige ich mir in einem der zahlreichen Starbucks eine grosse Caramel-Latte
für 3 Dollar 40. Verglichen mit den achtfränkigen Kaffees im St. Galler
Starbucks ist das ganz im Rahmen. Abends spiele ich zwei Schachpartien gegen
John und verliere beide Male trotz sehr guter Position nach einem Lapsus. Gegen
John darf man sich keinen einzigen Fehler leisten, und man ist weg vom Fenster.
Mittwoch,
15. August
Der letzte heisse Tag ist heute angesagt, dann soll es wieder kühler werden,
und am Wochenende gar regnen. Nach Schulschluss besuche ich Canada-Place, das
ist der Platz am Hafen, wo die riesigen Kreuzfahrtschiffe von/nach Alaska anlegen,
mit einer herrlichen Aussicht auf die Meeresbucht und auf die gegenüberliegende
Seite mit Nord- und West-Vancouver sowie dem Hausberg, dem Grouse Mountain.
Eines der riesigen Schiffe läuft soeben aus, und ich vefolge es mit meinem
Blick, bis es hinter dem Stanley-Park verschwindet.
Ich habe erfahren, dass im Restaurant ganz in der Nähe meiner Homestay-Wohnung,
gleich auf der anderen Seite des Victoria-Drives, wöchentliche Chorproben
des Vancouver
Swiss Choir, eines gemischten Chores, stattfinden. Als Mitglied des Männerchors
Grabs bin ich natürlich interessiert, dass ich das Singen nicht ganz verlerne.
Und so frage ich die Präsidentin, eine Frau Erna Schaefer an, ob ich während
des Aufenthaltes hier mitsingen könne. Es ist jedoch Sommerpause und die
Proben beginnen erst wieder im September. Sie meint gar, es sei schade, dass
ich nicht für immer hier bleiben würde, denn sie könnten Tenorstimmen
gut brauchen. Da sich die Transfersummen und Gehälter bei Chören wesentlich
von denjenigen für Schweizer Hockeyspieler in Kanada unterscheiden, werde
ich höchstwahrscheinlich diesen Transfervertrag nicht unterschreiben und
beim bisherigen Club bleiben.
Freitag,
17 August
Schon wieder ist eine Woche vorbei. Der Kurs "International business Practices"
ist hochinteressant. Der erste Teil war vor allem allgemeine Managementlehre,
angereichert durch zahlreiche praktische Beispiele. Der Begriff "international"
wird vor allem durch die Kursteilnehmer abgedeckt, die ihre Erfahrungen in ihren
Ländern (v.a. Lateinamerika und Asien) einbringen. Interessant war das
Thema "Arbeitsbedingungen". So arbeiten die Koreanischen Arbeiter
55 Stunden pro Woche, verdienen umgerechnet $ 1.55/Stunde, hätten theoretisch
3 Wochen Ferien zugut, aber davon werden höchsens 5 Tage bezogen, weil
dies als sehr illoyal angesehen werde, überhaupt Ferientage zu beziehen.
Die Schweizer Arbeitsbedingungen sind weltweit Spitze, mit einer Ausnahme. Der
bezahlte Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen, wo wir trotz unserer neuen Regelung
gerade so halbwegs knapp mit den Schwellenländern konkurrieren können.
Im Kurs "Interntional Current Events" ist auch diesmal hoch interessant.
Kursleiter David bringt ein sehr umfassendes Wissen mit. Als erstes wurde die
UNO behandelt. Mein Westschweizer Kollege Matthieu als Vevey und ich und ein
Koreaner durften über den internationalen Gerichtshof in Den Haag referieren.
Dann folgte das Thema Global Warming. Als dann "die Wirtschaft" kritisiert
wurde, die halt nicht bereit sei, der Natur zu liebe aufs Geldverdienen zu verzichten,
forderte ich die Studenten auf, künftig nicht mehr nach Vancouver zu fliegen
um Englisch zu lernen, da jeder Studierende für Hin- und Rückflüg
3-4000 Liter Kerosin für den Flug verbrauchen würde. Ganz entsetzt
antwortete David mit seinem trockenen schottischen Humor "Dont' say this!
- We need you!" Die Wirtschaft, das sind halt immer die andern.
Zum Mittagessen verabreden sich heute die (noch übrig gebliebenen) Teilnehmer
des vorangegangenen Kurses zusammen in ein koreanisches Restaurant - ausgewählt
durch die Koreanierin Sophia. Sie berät uns auch bei den Menüwahl.
Ich entscheide mich für eine Art geschnetzeltes Schweinefleisch mit Reis
und schmackhafter, recht stark gewürzter Sauce. Es ist ausgezeichnet! Der
Reis und die Suppe dämpfen die Würze.
Samstag
18. August
Mein Homestay-Mate Leonardo und ich gehen heute nach Granville-Island, so eine
Art Vergnügungs- und Einkaufsparadies auf einer kleinen Insel im False
Creek südlich von Downtown. Neben zahlreichen Souvenir-Shops hat es hier
eine riesige Markthalle, wo zahlreiche Händler ihre Lebensmittel-Spezialitäten,
Gemüse und Früchte anbieten. Eine Feinbäckerei bietet leckere
Patisserie an, und wir kaufen uns zwei Erdbeertörtchen, das Stück
zu 4 Dollar! Auf dem Gelände präsentieren uns zahlreiche Entertainer,
seien es Musiker oder Jongleure, ihre Vorführungen. Das Publikum ist begeistert.
So vergeht der Tag im Nu.
Sonntag,
19. August
Am Vormittag regnet es, wie vom Wetterbericht vorhergesagt. Doch am Mittag lichtet
sich die Bewölkung. So beschliessen Leonardo und ich kurzfristig, mit der
Fähre - hier "Seabus" genannt - nach Nord Vancouver zu fahren.
Dort ist gleich in unmittelbarer Nähe der Fähren-Landestelle ein Platz,
wo eine Band unter freiem Himmel Oldies aus den 60ern und 70ern spielt, unter
anderem Beatles und CCR. Das ganze Freiluftkonzert ist gratis, inbegriffen eine
atemberaubende Kulisse im Hintergrund, nämlich die Silhuette von Downtown
Vancouver über der Meeresbucht.
Montag,
20. August
Wir erhalten im Kurs "International Current Events" eine Themenliste
für die individuellen Präsentationen in der dritten Woche, von ca.
45 Minuten, inkl. Diskussion. Unter anderem ist dort das Thema "EU"
aufgeführt. Da ich zusammen mit der türkischen Kollegin Ebru der einzige
Europäer bin, und sie dieses Thema nicht will, greife ich zu. Ich unterrichte
dieses Thema ja auch in der Berufsschule, weshalb sich mein Vorbereitungsaufwand
mehr oder weniger auf das Uebersetzen meiner Berufsschullektion in die englische
Sprache beschränken wird. Die englische Website von Wikipedia liefert die
korrekten Ausdrücke. Das ganze sollte also keine Hexerei sein. Rationelles
Arbeiten ist ja schliesslich nicht verboten.
Donnerstag,
23. August:
Nachdem ich letzte Woche in den täglichen Schachpartien gegen den Homestay-Daddy
zulegen und etliche Partien für mich entscheiden konnte, wendet sich das
Blatt diese Woche wieder. Sowohl gestern als auch heute Abend gibt es je eine
Knorzpartie von 2 Stunden Dauer. Schön regelmässig nahmen wir uns
in einer Art Tausch die selben Figuren weg, bis schliesslich noch je der König,
ein Turm und der eine oder andere Bauer übrig blieben. Beim Spiel am Vorabend
einigten wir uns auf ein Unentschieden, während ich beim heutigen Spiel
durch eine Lappalie den Turm und damit auch das Spiel verlor.
In der Vormittagsklasse mussten ein Brasilianer, eine Koreanerin und ich einen
Strategieplan für eine neue Unternehmung entwickeln und präsentieren.
Wir einigten uns auf eine Schweizerisch-Braslilanisch-Koreanische Schockolade
mit dem Slogan "SwiBraKo - The Sweet Temptation". Vor lauter Entwickeln
der Strategie vergassen wir aus Zeitmangel den Grundsatz, dass die Präsentation
oft wichtiger ist als der Inhalt. So war die Präsentation unseres doch
recht guten Konzepts nicht optimal.
In der Nachmittagsklasse wurde zwecks eines Rollenspiels die Klasse in 2 Verhandlungsdelegationen
- die palästinensische und die israelische - eingeteilt. Wir bereiteten
die Verhandlungen, die Ausgangspositionen und den Verhandlungsspielraum vor
und gingen so in die Verhandlungen. Ich war Teil der israelischen Delegation,
und meine Aufgabe war es, den harten Koreanern und Südamerikanern in meinem
Team beizubrungen, dass wir doch nicht nur nein sagen, sondern noch ein paar
Zugeständnisse machen müssten. Nach den Verhandlungen war der Friedensvertrag
perfekt. Ob die Israelis mit unserem Ergebnis - z.B. völlige Aufgabe von
Ostjerusalem und die Errichtung eines internationalen Status für die Altstadt
und die heiligen Stätten - zufrieden wären, ist zweifelhaft.
Freitag,
24. August
Fünf Wochen Schule sind um.- Halbzeit! - Weitere fünf Wochen sind
noch vor mir. Während ich die sprachliche Fortschritte in den ersten 2
Wochen noch gespürt hatte, nehme ich in letzter Zeit keine so starken Fortschritte
mehr wahr. Trotzdem hoffe ich, dass es sie gibt, und lediglich die Wahrnehmung
derselben fehlt. Ich warte nun gespannt auf die kommende letzte Schulwoche,
auf das Praktikums-Interview, und was für eine Praktikumsstelle in der
Wirtschaft mir offeriert wird.
Trauer in Kanada. Diese Woche sind 3 Soldaten aus Québec in Afghanistan
getötet worden. Die Parteien kommen überein, dass in diesen Tagen
nicht der Moment ist, um über den Sinn dieses Afghanistan-Einsatzes zu
streiten. Der Kommentator der Gratiszeitung "24hours" verzichtet auf
die bei uns in Europa übliche Presseschelte und beschreibt sein Gespräch
mit seinem kleinen Sohn vor dem Fernsehschirm: "Daddy is that a hero in
that box with the flag? - Yes my beloved boy, a hero. And don't ever forget
it!" Sätze, die kaum ein Schweizer Kommentator schreiben würde
Zum Schluss des Tages das Schachspiel. Nichts Neues, wiederum ein zähes
zweistündiges Ringen, bis ich in der Schlussphase aus einer bösen
Umklammerung heraus einen völlig unerwarteten blitzschnellen Gegenangriff
in zwei Zügen lancieren konnte, der beinahe zum Erfolg führte, jedoch
fehlerlos pariert wurde. Damit hatte ich mein Pulver verschossen und das voraussehbare
Schachmatt folgte auf dem Fuss.
Samstag,
25. August:
Das Wetter ist nicht sehr gut, und wir (Leonardo und ich) beschliessen, das
riesige Einkaufszentrum "Metrotown" in Burnaby zu besuchen. So fahren
wir mit dem Skiytrain nicht wie gewohnt nordostwärts sondern südostwärts.
Burnaby ist zwar eine eigene Stadt, gehört aber zur Agglomeration Vancouver.
Das Einkaufszentrum ist in seiner Grösse und Vielfalt beeindruckend. Nachdem
es am Nachmittag gar zu regnen beginnt, entschliessen wir uns nach der Rückkehr
spontan zum Coiffeurbesuch. Während in Downtown 30 bis 40 Dollar für
einen gewöhnlichen Haarschnitt zu zahlen sind, ist es bei der Coiffeuse
gleich in der Nachbarschaft wesentlich günstiger: ganze 8 Dollars. Die
Konversation mit Einheimischen läuft immer besser und fliessender: Sei
es mit dem Bilderhändler in Metrotwon, sei es mit einem von der Arbeit
heimkehrenden Büezer im Skytrain, oder sei es mit der Coffeuse.
In Vancouver streikt die Müllabfuhr. Nicht etwa erst seit gestern, sondern
schon praktisch seit ich hier bin, und der Streik geht nun bald in die sechste
Woche. Für uns Schweizer unvorstellbar! Jegliche private Initiative, eine
Art eigene Müllabfuhr wenigstens für ein Quartier oder eine Gruppe
von Menschen oder Geschäften auf die Beine zu stellen, ist hier gegen die
offenbar sehr mächtige Gewerkschaft chancenlos. Einige private Müllabfuhr-Initiativen
wurden nach Ausüben von entsprechendem "Druck" blitzartig wieder
eingestellt, und die Initianten mussten sich teilweise sogar für ihr ungeheuerliches
Ansinnen öffentlich entschuldigen. Die Stadtbehörden haben schon seit
einiger Zeit eine generelle Lohnerhöhung von 16 % offeriert, vergeblich.
Auf das Knipsen von Bildern der katastrophalen Müllsituation in unserer
schönen Stadt möchte ich verzichten. Aber soviel sei verraten: So
schlimm wie in Grabs in der Silvesterwoche vor der Einführung der Sackgebühr
ist es auch nach 5 Wochen noch nicht.
Für mich ist genau heute Halbzeit! Vor 5 Wochen bin ich in Vancouver gelandet,
und heute in 5 Wochen werde ich abfliegen. Noch nicht ganz nach Hause, sondern
in Kanadas Osten, um eine Woche lang den "Indian Summer" und seine
phantastische herbstliche Farbenpracht zu geniessen.
Sonntag,
26. August:
Leonardo und ich erkunden erneut den Stanley-Park, diesmal per Fahrrad. Leonardo
hat einen Tipp gekriegt, wo der billigste Fahrradvermieter ist. Dort kostet
es mit lediglich 5 Dollar pro Stunde mehr als die Hälfte weniger als andernorts.
Der Helm ist inbegriffen, man möchte doch schliesslich keine Schadenersatzklagen
am Hals. Etliche Schweizer sind auch per Rad unterwegs. Eine Schweizerin ruft
ihren Kolleginnen zu "Das isch Mega!" - "Mega, that's Swiss German!"
rufe ich im Vorbeifahren mit meinem bestmöglichen kanadischen Akzent Leonardo
zu, und die Schweizer schauen uns verdutzt nach. Es ist herrliches Wetter und
eine herrliche Aussicht. Selbst Leonardo aus dem mit Naturschönheiten reichlich
gesegneten Brasilien kommt aus dem Staunen nicht heraus. Besonders fasziniert
ist er vom Beaver-Lake, der praktisch vollständig mit Seerosen zugedeckt
ist.
Zur Abrundung des Tages endlich wieder einmal ein Sieg im Schach. Es ist ein
relativ schneller, schön herausgespielter Sieg. Ich werfe John einen Springer
als Köder hin. Er schnappt ihn sich tatsächlich, und ist 2 Züge
später schachmatt und völlig verdutzt.
Montag,
27. August
Was für die Schweiz die Deutschen oder seit einiger Zeit die EU, das sind
für die Kanadier die USA. Es ist der wesentlich grössere und stärkere
Nachbar, und das Verhältnis ist natürlich immer etwas asymmetrisch.
In jüngster Zeit ist es aber recht angespannt. Im Fach "International
Business Administraion" wird das Thema Handelshemmnisse näher beleuchtet.
Lehrer Bob bringt als Beispiel, dass vor 5 Jahren die USA das Holz aus British
Columbia (hier eine sehr wichtige Industrie!) einseitig mit einem zusätzlichen
Zollzuschlag von 29 %(!) des Kaufpreises belegt habe zum Zweck des Schutzes
der einheimischen Holzindustrie. Als ich ihn darauf hinwies, dass dies WTO-widrig
sei, gab er mir recht. Bis jedoch das entsprechende WTO-Urteil nach langem Rechtsstreit
schliesslich vor Kurzem Wirksamkeit erlangt hätte, seien 5 Jahre vergangen,
während denen die kanadische Holzindustrie litt und die amerikanische profitierte
und deshalb etliche Sachzwänge geschaffen worden seien. Die USA seien zwar
verpflichtet, 2 Mrd. zuviel kassierte Zölle zurückzuzahlen, Geld sei
aber noch keines gekommen. Ein weiteres Aergernis für die Kanadier, insbesondere
für die nahe an der Grenze lebenden Vancouverites und die Touristen, sind
die strengen Grenzkontrollen. Die "längste unverteidigte Grenze der
Welt", wo die Kanadier früher sogar ohne Personalausweis durchkamen,
wird immer undurchlässiger. Die letzten Wochenendausflügler nach Seattle
beklagten sich über eine Wartezeit am Zoll von sage und schreibe 5 Stunden.
Auch wenn man sich in dieser Welt mit Feinden herumschlagen muss, gute Freunde
und Nachbarn zu verärgern kann kaum das Ziel einer sinnvollen Politik sein.
Ein kritischer und gleichzeitig versöhnlicher Satz stand in der heutigen
Gratiszeitung "24hours" (Jim Walchuk): "In spite of the political
absurdities they are presently experiencing, I found Americans to be some of
the friendliest and most hospitable people I have ever encountered." Aufgrund
meiner früheren Erfahrungen kann ich diesen Satz voll unterschreiben. Wie
schon letzten Freitag stelle ich mir die Frage, ob ein Schweizer Journalist
ähnliches schreiben würde über unsere Nachbarn?
Dienstag,
28. August:
Ein recht positiver Tag: Als erstes habe ich, aufgrund des recht guten Wetterberichtes,
endlich im dritten Anlauf meinen Victoria-Trip für den kommenden Samstag
buchen können. Zweitens habe ich - endlich - die lange erwartete Einladung
zum Vorstellungsgespräch für mein nächsten Montag zu startendes
Firmen-Praktikum bekommen. Der erste Eindruck über die vorgeschlagene Unternehmung,
den ich mit Hilfe von deren Website gewinne, ist sehr positiv. Morgen um 2.30
Uhr soll dieses Gespräch stattfinden. Mal schauen, ob beide Parteien finden,
dies sei etwas für uns. Ich freue mich darauf.
Mittwoch,
29. August:
Wiederum ein rundum positiver Tag: Mittags um 12 Uhr habe ich ein schulinternes
Probeinterview, bevor es dann ernst gilt. Ich melde mich um 14.30 Uhr im 21.
Stock eines Bürohochhauses bei der Firma ics-events zum Vorstellungsgespräch.
Nach einem kurzen einleitenden Gespräch erklärt mir die Interviewpartnerin
meine künftige Arbeit. Die Firma organisiert Kongresse mit weltweiter Beteiligung,
und nun müssen die Abrechnungen erstellt werden, und man ist offenbar kräftig
im Rückstand. Sie schärft mir besonders ein, ich solle als Europäer
ja die Einsen und die Sieben in der korrekten nordamerikanischen Schreibweise
darstellen. Ich verspreche dies hoch und heilig und wir werden uns bald handelseinig.
Als ich zu Hause ankomme, ist bereits das Bestätigungsmail eingetroffen.
Zur Abrundung des gelungenen Tages und quasi als Belohnung für mich selber
gehe ich nach der Schule zum Ticketcorner des Canada-Place-Hockeystadions und
kaufe mir ein Ticket für den Junioren-Eishockey-Match Kanada-Russland vom
Sonntag, 9. September.
Freitag,
31. August:
Der letzte Schultag und damit eine 6wöchige Ganztags-Studienzeit geht zu
Ende. Nächste Woche beginnt mein betriebliches Praktikum bei ics-events
hier in Vancouver. Am allerletzten Nachmittag halte ich eine Präsentation
- unterstützt durch Powerpoint - über die Europäische Union.
Mit der Diskussion und den Fragen dauert diese eineinviertel Stunden. Das Publikum
stammt - von einer türkischen Ausnahme abgesehen - aus Südamerika
und Korea. Selbstverständlich fragen sie mich auch, wieso in dieser bald
ganz Europa bedeckenden blauen EU-Fläche ausgerechnet meine Heimat einen
winzigen weissen Flecken bilde. Ich schildere die Vor- und Nachteile eines Beitritts
und dass die Mehrheit unserer Bevölkerung einem solchen Beitritt nicht
zustimmen würde. In Korea ist übrigens - das geht bei uns Europäern
oft vergessen - der Kalte Krieg noch nicht zu Ende und das Land ist immer noch
geteilt. Eine Aenderung ist angesichts der doch eher grotesken Diktatur in Nordkorea,
dessen Führer sich in quasi religiöser Weise von seinem hungernden
Volk fast als Gottheit verehren lässt, nicht in Sicht. Die Koreaner scheinen
gemäss meiner Erfahrung hier von den verschiedenen ostasiastischen Kulturen
diejenigen zu sein, die unserer Mentalität am nächsten stehen. Ihr
Leben besteht jedoch derart aus Arbeit, dass selbst wir doch auch ans Arbeiten
gewöhnte Schweizer fast darüber erschrecken, wenn die Koreaner von
ihrem Arbeits- und Bildungsleben erzählen.
Samstag,
1. September:
Heute gehts mit der Fähre übers Meer - zumindest über einen Meeresarm
- nach Victoria auf Vancouver-Island. Gleichzeitig setze ich damit eine persönliche
Bestmarke in Sachen westlichster je erreichter Punkt. In Alaska und Hawaii war
ich noch nie, und Victoria ist somit mein weitester Vorstoss Richtung Westen.
Der positive Ruf dieser Stadt, der dem Besuch vorauseilte, wird vor Ort voll
bestätigt. Die Stadt, der Hafen und Butchart-Garden sind sehenswert. Als
guter Kantons-Parlamentarier besuche ich selbstverständlich auch eine Führung
durch das Parlamentsgebäude der Provinz B.C., dessen Hauptstadt nicht etwa
Vancouver, sondern eben Victoria ist. 79 Parlamentarier vertreten die paar Millionen
Einwohner von B.C., also bedeutend weniger als im vergleichsweise kleinen Kanton
St. Gallen. Sowohl die Hinreise als auch die Rückkehr bei Sonnenuntergang
mit der Fähre sind ein traumhaftes Erlebnis. Die Hälfte der Fahrt
besteht aus einer Art Slalom um die zahlreichen im Weg stehenden Inseln. Während
der Schifffahrt überquert man unbemerkt ein kleines Dreieck U.S.-Hoheitsgebiet,
da Victoria südlich des 49. Breitengrades liegt, der auf dem Kontinent
und einige Kilometer
ins Meer hinaus die Grenze bildet. Vancouver Island ist nur ein kleiner Teil
von B.C, aber mit 500 km Länge übertrifft sie die maximale Ausdehnung
der Schweiz um einiges. Hier
die Bilder von diesem herrlichen Ausflug.
Sonntag/Montag,
2./3. September:
Es ist ein langes Wochenende mit einem Feiertag am Montag (Labour Day, der hier
offenbar nicht am 1. Mai ist). Es bleibt genug Zeit, meine Victoria-Bilder ins
Internet zu stellen, da das Wetter nicht optimal ist. Mit Schrecken stelle ich
fest, dass infolge einer unsauber gewordenen Linse praktisch alle Fotos von
Victoria miserabel geworden sind. Bei einer Spielgereflex-Kamera merkt man halt
solche Sachen, bei diesen Billigkameras hingegen nicht. Zum Glück gibts
heute den Computer, um die Bilder zu bearbeiten, und so gelingt es mir, das
Ganze doch einigermassen anständig für die Website hinzukriegen.
Dienstag,
4. September
Die zweimonatige Ferienzeit in Vancouver ist zu Ende. Schüler und Studenten
und deren Eltern sind alle wieder unterwegs, auch mit dem öffentlichen
Verkehrsmittel. Die ohnehin schon vollen Busse und Skytrains sind beim am Morgen
herrschenden strömenden Regen noch vollgestopfter als bisher. Heute Morgen
fahren 3 volle Busse an unserer Haltestelle vorbei, bevor ich nach 30 Minuten
Wartezeit endlich in Bus Nummer 4 einen Platz finde. Es reicht gerade noch so
knapp, dass ich nicht schon am ersten Morgen an meinem neuen Praktikumsort zu
spät erscheine. Hier werde ich begrüsst und in meine neuen Aufgabe
eingeführt. Die Firma, bei der ich nun 4 Wochen arbeiten werde, organisiert
Grossanlässe, und im Augenblick läuft ein solcher Anlass (Aerzte-Kongress
in Seoul). Es gilt, dafür die Buchungen, Zahlungen und Abrechnungen vorzunehmen.
Es ist kein Geschäftsgeheimnis, wenn ich verrate, dass dieser einzige Grossanlass
ein Budget von mehreren Millionen Dollars aufweist. Die Buchführungs-Materie
ist mir nicht fremd, hingegen muss ich die spezifischen Fachausdrücke lernen
und nachschauen. Ist nun beispielsweise eine "Trial Balance" eine
Probebilanz oder eine Saldibilanz? Das Wörterbuch im Internet macht keinen
Unterschied. Die wörtliche Uebersetzung deutet auf ersteres, die vielen
Seiten Computerausdrücke auf meinem Pult hingegen auf letzteres. Und als
meine Chefin Laura etwas von "reconciliation" mit der Bank erzählt,
denke ich zuerst, wir hätten uns mit der Bank verkracht und müssten
uns jetzt versöhnen. Gemeint hat sie aber nur die "Abstimmung"
oder Abgleichung zwischen unserer Buchhaltung und dem Bankkontoauszug.
Mittwoch,
5. September:
Die Kanadier haben keinen Präsidenten, sondern die britische Queen als
Staatsoberhaupt. Da die Queen normalerweise nicht hier ist, wird die Krone in
Kanada durch den General-Governor vertreten. Und alle Provinzen haben anstelle
eines Provinz-Präsidenten einen Lieutenent-Governor als Stellvertreter
der Krone. Zum neuen Lt-Governor von British Columbia ist nun neu Steven Point,
seines Zeichens Häuptling der Chilliwack-Indianer, ernannt worden. Dass
ein Vertreter der Indianer - oder der First Nations, wie sie hier politisch
korrekt genannt werden - ins formell höchste Amt gewählt wird, ist
eine späte Genugtuung und Anerkennung für die Ureinwohner Kanadas
Donnerstag,
6. September:
Dass Winston Churchill und die Briten in ihrem Kampf gegen Nazi-Deutschland
sich recht stark auf die personellen Ressourcen der Commomwealth-Mitglieder
Kanada, Neuseeland und Australien abstützten, ist bekannt. So hatten beim
Kampf gegen Rommel in Nordafrika die Australier und Neuseeländer eine sehr
bedeutende Kriegslast zu tragen, und im Jahre 1944 errichteten die Alliierten
in der Normandie vier Brückenköpfe, nämlich 2 US-Amerikanische,
einen Britischen und einen Kanadischen. Trotzdem war ich erstaunt, als ich heute
in der Zeitung vom tatsächlichen Engagement Kanadas im 2. Weltkrieg las:
Kanada mit einer Einwohnerzahl von damals 11 Millionen stellte eine Million
Soldaten in Europa, wovon 50'000 auf diversen Schlachtfeldern Europas ihr Leben
hingaben.
Heute abend gehe ich zum ersten Mal an die Chorprobe des Swiss-Choir Vancouver,
eines Gemischtchores. Ich werde gastfreundlich und sehr herzlich aufgenommen
und geniesse die zwei Stunden, welche wie im Flug vergehen. Da der Dirigent
und auch ein paar Chormitglieder keine Schweizer sind, ist die Unterrichtssprache
selbstverständlich Englisch, gesungen wird aber vor allem in den 4 schweizerischen
Landessprachen.. Hier wird sehr weit voraus geplant. Wir proben bereits für
das Jodelkonzert vom nächsten Juli 08 in Portland, Oregon, und das gedruckte
Liederbuch dafür liegt bereits vor. Und für Dezember werden schon
die ersten zwei Weihnachtslieder eingeübt! Zum Schluss singen sie für
mich "O Canada", die Nationalhymne. Und ganz zum Schluss trifft sich
- wie in der Schweiz - die ganze Gruppe im Restaurant zum Bier Kaffee oder sonst
einem Drink. mehr
Sonntag,
9. September:
Eine rundum gelungene Woche findet heute einen rundum gelungenen Abschluss.
Die erste Arbeitswoche im betrieblichen Praktikum ist gut verlaufen. Ein weiteres
Highligt dieser Woche war die Begegnung mit dem Swiss Choir. Und heute um 17
Uhr durfte ich zusammen mit Homestay-Kollege Leonardo erstmals in Kanada ein
Eishockeyspiel im Stadion mitverfolgen. Für ihn als Brasilianer war ein
Eishockeyspiel etwas ganz Neues. Das "Schützenfest" Kanada-Russland
(U20) im General Motors Place endete 6:1 für Kanada. Das Stadion mit 17'000
Sitzplätzen ist imposant, selbst wenn die Sitze nicht ganz restlos belegt
waren. Ebenso beeindruckend sind die 4 riesigen Bildschirme in der Mitte über
dem Eisfeld. Während in der Schweiz an solchen Anlässen hauptsächlich
Eishockey gespielt wird, unterbrochen durch etwas Show, Entertainment und Werbung,
so ist es hier genau umgekehrt. Es herrschen drei Stunden Entertainment, Showeinlagen
und Werbung bis hin zu Quiz und Saalvoting mit Mobiltelefon, welche hin und
wieder unterbrochen werden durch Eishockey. Zu Beginn erheben sich alle von
den Sitzen, ziehen ihre Mützen ab und lauschen andächtig und muksmäuschenstill
der russischen Nationalhymne, anschliessend wird ebenso andächtig die kanadische
Hymne mitgesungen. Und dann folgt der Schlachtruf "Let's go, Canada!"
Das erste Drittel endet torlos, dann folgen im 2. Drittel rasch hintereinander
3 kanadische Treffer, ebenso im letzten Drittel, bis schliesslich den Russen
gegen Ende der Ehrentreffer gelingt. Leonardo aus Brasilien ist begeistert.
Vor allem gefällt ihm die zünftige Schlägerei in der zweiundfünfzigsten
Minute, die einige 10Minutenstrafen zur Folge hat. Ein Dämpfer sind die
horrenden Preise für die Zwischenverpflegung, weshalb wir darauf verzichten.
So ist es beispielsweise bei einem Bierpreis von 8 Dollar pro Becher schon aus
finanziellen Gründen ausgeschlossen, sich einen Rausch anzutrinken. (Bilder)
Donneratag,
13. September
Die Arbeit im Betrieb läuft gut. Ich bin unter anderem daran, für
rund 200 Referenten eines grosseren Aerztekongresses über Lungenkrebs die
Honorarabrechnungen zu überweisen in alle Welt. Bei lückenhaften Daten
ist dies teilweise ein Problem.
Am Abend ist wieder Probe mit dem Swiss Choir. Im Anschluss an die Probe wird
wieder ein Imbiss spendiert, denn es hat gleich einige Geburtstagskinder in
dieser Woche. Im Restaurant singen wir altbekannte Schweizerische Volkslieder,
die offenbar auch nach Jahrzehnten fern der Heimat nicht vergessen gehen.Bilder
Freitag,
14. September
Die zweite Arbeitswoche ist zu Ende. Vom seit Tagen traumhaft schönen Wetter
mit täglich wolkenfreiem Himmel habe ich leider bei meinem Vollzeitjob
nicht viel bemerkt. An diesem Abend fahre ich mit der Fähre nach North
Vancouver und betrachte von dort den Sonnenuntergang und die langsam einbrechende
Dämmerung über Stadt und Meer. Es ist ein herrlicher Anblick (Bilder)!
Sonntag,
16. September
Das erste Mal Wetterpech bei einem Ausflug! Der Trip ins rund 150 km entfernte
Whistler - Austragungsort der Skiwettkämpfe der Olympischen Spiele von
Vancouver 2010 - findet zwar nicht bei Regen, aber bei starker Bewölkung
statt. Die umliegenden Berge von Whistler sind alle in Wolken und Nebel eingehüllt.
So kann unsere Skipisten-Inspektion auf Whistler-Mountain leider nicht stattfinden
und wir bewegen uns im Skiort Whistler, welcher auf rund 700 m über Meer
liegt und trotzdem offenbar wintersicher ist. Die Strasse zwischen Vancouver
und Whistler wird im Moment auf Hochtouren von 2 auf 4 Spuren ausgebaut, und
dies in gebirgigem Gelände, welches mit unseren Alpen vergleichbar ist.
Auf der kanadischen Landkarte liegt Whistler unmittelbar bei Vancouver, auf
Schweizer Verhältnisse übertragen entspricht dies jedoch der Strecke
Zürich-Fribourg. (Bilder)
Dienstag,
18. September
Das Wetterpech vom Sonntag war keine Eintagsfliege. Die prächtige Schönwetterperiode
ist offenbar am Sonntag zu Ende gegangen. Heute ist es so richtig nasskalt und
unfreundlich, natürlich nur das Wetter, nicht die Menschen hier.
Erneut habe ich heute etwas in den Zeitungen gelesen, was man in der Schweiz
so nicht finden würde. Jeder mag selbst beurteilen, ob diese kanadische
Praxis nachahmenswert ist oder nicht. Es handelt sich um einen prominent aufgemachten
Textbeitrag mit Foto und Personalien über einen nach der Verbüssung
seiner ordentlichen Gefängnisstrafe ordentlich entlassenen Straftäter.
Er wurde seinerzeit wegen Vergewaltigung einer 21 Jahre alten Frau verurteilt,
und hier ist man der Meinung, dass die Oeffentlichkeit über solche Leute
informiert werden muss, damit man sich vor ihnen in Acht nehmen kann. In der
Schweiz ist man der Meinung, dass das Recht eines Straftäters auf Anonymität
nach der Verbüssung seiner Tat höher zu gewichten ist als der Schutz
der Menschen in seinem Umfeld vor möglichen Rückfällen. Dieser
Mensch zieht nach seiner Straftat vom Osten Kanadas nach Vancouver, und es steht
in allen Zeitungen. Noch etwas ist anders als in der Schweiz. In der Schweiz
werden Vergewaltigungen von unseren Gerichten als eine Art Gentlementsdelikt
angsehen werden, die jeweils mit etwa 3 bis 4 Jahren geahndet werden. Abzüglich
des obligatorischen Drittels Straferlass, ist man also nach 2 Jahren wieder
draussen. Dieser Täter ist seit 1993, also 14 Jahre im Gefängnis gesessen
für diese Vergewaltigung. In der Schweiz gibt es nur wenige Menschen, die
überhaupt 14 Jahre im Gefängnis verbüssen müssen. Selbst
lebenslänglich Verurteilte kommen nach 15 Jahren wieder raus.
Mittwoch,
19. September
Das Wetter ist heute wieder schön, mit wolkenlosem Himmel, aber recht frisch,
das heisst deutlich unter 20 Grad Celsius. So langsam habe ich am Arbeitsplatz
das Buchhaltungssystem und die Software im Griff und kann schon recht selbstständig
die Arbeiten erledigen. So konnte ich in einer in letzter Zeit etwas vernachlässigten
Buchhaltung eines grösseren Veterinärkongresses ein mittleres Durcheinander
entwirren und die Buchhaltung wieder zum Stimmen bringen. Der Betrieb, die ICS-Events,
hat rund ein Dutzend Angestellte und ist im 21. Stock eines Bürohochhauses
gleich in Hafennähe, mit einem herrlichen Ausblick auf den Burrard Inlet,
den Hafen und Nordvancouver,... sofern man zum Management gehört und die
Büros auf der Nordseite hat. Auf der Südseite, wo auch die Buchhaltungsabteilung
ihr Büro hat, ist der Ausblick auf die Stadt immer noch recht beeindruckend.
Uebrigens sprechen die Kanadier bei Ihrer Tagesarbeitszeit ebenfalls von 8 Stunden,
wie wir in der Schweiz auch. Allerdings geht der Arbeitstag von 9 bis 5 Uhr,
und in der Arbeitszeit ist die Mittagspause mitenthalten.
Donnerstag,
20. September
Ein schwarzer Tag für den öffentlichen Verkehr in Vancouver. Am Morgen
fällt mitten in der Stosszeit der leistungsfähige Skytrain aus, und
die Leute steigen auf die Busse um, die für diesen Ansturm naürlich
nicht gerüstet sind. Ich erscheine mit einer Stunde Verspätung am
Arbeitsplatz. Und am Nachmittag wird an der Broadway-Station eine Person, die
sich aus noch nicht geklärten Gründen auf den Schienen aufhält,
überrollt. Der Zugsverkehr ist nun auch bei der Rückfahrt am Abend
eingestellt. Im Bus muss ich zwei Sitznachbarn den neuen Weg und den Ausstiegsort
erklären, und ich fühle mich fast als Einheimischer. Ebenfalls neu
ist für mich, dass ich jetzt - im Gegensatz zu meinen ersten Tagen hier
- die mit viel Geräusch und Geknarre begleiteten Lautsprecherdurchsagen
verstehen kann.
Am Abend ist für mich die dritte Chorprobe beim Vancouver Swiss Choir.
Sie ist wie immer ein sehr schönes Erlebnis, und Dirigent Dubravko scheint
heute besonders gut gelaunt und zur Höchstform aufzulaufen. Nach der Chorprobe
unterhalte ich mich unter anderem mit dem ältesten Chormitglied, der 89jährigen
Maria, die 1950 nach Vancouver gekommen ist. Die Unterhaltung ist sehr interessant,
sie spricht Schweizerdeutsch, dann wieder einen Satz Englisch, bunt gemischt.
Das Gespräch erinnert mich fast an den Film "I am just a simple Person"
von Stefan Haupt über die Grabser Auswanderin Katrhin Engler.
Freitag 21. September
Kanadas Nationalstolz schwelgt heute besonders. "A Buck is a Buck"
(Ein Dollar ist ein Dollar), ist eine Schlagzeile in der Presse. "The loonie
takes flight as greenback plunges" (Der Kanadadollar steigt, während
der US-Dollar fällt), lautet eine andere. Erstmals seit Jahrzehnten ist
ein CDN- Dollar - oder eben ein "Loonie" - gleich viel Wert wie der
US-Dollar oder der "Greenback". Ich empfinde darueber angesichts der
für mich nun höheren Bankbelastungen in der Schweiz für meine
Ausgaben hier nicht dieselbe Freude. Dass auch die kanadische Exportindustrie
und der Tourismus keine Freude haben können, tritt an diesem Tag in den
Hintergrund. Man hat mit dem grossen Nachbarn im Süden gleichgezogen, und
das hebt das Selbstwertgefühl. Eine weitere Zeitung bringt die Gefühle
auf den Punkt: "Well, they can't kick sand in our face any more!"
Samstag,
22. September
Heute in einer Woche werde ich Vancouver verlassen. Noch eine Woche darf ich
hier geniessen. Obwohl heute der Himmel praktisch wolkenlos blau ist, ist die
Temperatur selbst um die MIttagszeit recht frisch, so knapp um die 15 Grad.
Mein Homestay-Kollege Leonardo und ich beschliessen, einen Abstecher zur Universität
von British Columbia, zur UBC, zu machen. Beim Konsultieren des Stadtplans von
Gross-Vancouver fällt auf, dass das am äussersten westlichen Zipfel
Vancouvers gelegene Universitätsgelände etwa die selbe Grösse
hat wie die ganze "Downtown". Und tatsächlich, die Uni ist fast
eine eigentliche Stadt mit einem grossen Strassennetz und unzähligen Gebäuden,
allerdings in relativ lockerer Bauweise mit viel freiem Raum. Das Universitätsgelände
ist im Norden, Westen und Süden vom Meer umgeben und bietet eine phantastische
Aussicht.
Die Schachwoche ist für mich positiv ausgefallen. Die meisten Siege waren
aus der Defensive heraus vorbereitet und kamen für Schachpartner John völlig
überraschend und praktisch aus heiterem Himmel. Eben war ich doch noch
scheinbar in der Klemme, und dann kommt der blitzschnell vorgetragene Gegenangriff
mit Matt in wenigen Zügen. Leider fehlt mir die Konstanz, das heisst, ich
kann nach vielen guten Spielzügen plötzlich völlig idiotisch
eine Figur verlieren, was die Vorarbeit zunichte macht.
Sonntag,
23. September
Dies ist der letzte Sonntag, den ich in Vancouver verbringe. Am Vormittag besuche
ich die Messe in der Kathedrale. Da diese im September renoviert wird, findet
der Gottesdienst in einer Art Pfarreisaal statt. Ist es die hier wesentlich
bessere Akkustik mit weniger Widerhall? Oder sind es meine Fortschritte im Hörverstehen?
Jedenfalls stelle ich fest, dass ich im Gegensatz zu meinen ersten Besuch die
ganze Predigt verstehe. Sie ist sehr lustig, offenbar wie beim ersten Mal. Nur
wusste ich damals nicht, worüber die Leute überhaupt andauernd lachten.
Der Pfarrer erzählt zum Thema Geld über seine Kindheit und seinen
damaligen unternehmerischen Erfindergeist in Sachen Geldverdienen. Elf Kinder
seien sie gewesen, sieben Brüder und 4 Schwestern, und das Leben entsprechend
hart. Ob er Irischer oder Italienischer Abstammung ist, weiss nicht nicht, aber
jedenfalls müssen rauhe Sitten geherrscht haben. Da gibt er doch unverblümt
zu, dass beim jetzigen Zusammentreffen der 7 Brüder hin und wieder die
Frage gestellt würde: "How could we grow up together without killing
each other?" (Wie konnten wir gemeinsam aufwachsen ohne uns gegenseitig
umzubringen?)
Da Homestay-Kollege Leonardo eine Präsentation für Montag vorbereiten
muss, ziehe ich nachmittags alleine los. Es gibt auch nach 9 Wochen noch unentdeckte
Plätze. So fahre ich mit dem Bus ein Stückchen auf dem Trans-Kanada-Highway
(Highway 1, der vom äussersten Westen bis zum äussersten Osten über
mehr als 4000 km quer durch Kanada führt) nach Deep Cove im Osten von Nordvancouver.
Das 69 Dollar teure Bus-Monatsabo für die Stadt Vancouver ist am Wochenende
auch für die ganze Umgebung gültig, so dass mich die pro Hin- und
Rückfahrt je dreiviertelstündige Busfahrt nichts kostet. Deep
Cove ist ein malerisches Dörfchen an einer traumhalft gelegenen
Bucht.
Donnerstag,
27. September:
Die letzte Woche geht langsam dem Ende entgegen. Das Wetter ist schlecht, als
ob der Himmel weinen würde wegen meiner baldigen Abreise?! Im Betrieb schliesse
ich langsam meine Arbeiten ab, um morgen genügend Zeit für die Abschiedsrunde
zu haben. Wenn ich in den letzten 4 Wochen relativ wenig bis gar nichts über
meine Arbeit im Betrieb geschrieben habe, so liegt der Grund nicht darin, dass
hier etwa nichts passiert und es langweilig wäre. Im Gegenteil, ich habe
einen schönen Teil meiner Zeit dort verbracht, habe es als sehr positiv
und bereichernd empfunden und auch viel gelernt. Die Diskretion gebietet es
aber, dass ich Tätigkeiten und Erlebnisse im Betrieb - und speziell in
einer Buchhaltungsabteilung - nicht ins Internet stelle. Ich denke, dass so
ein Betriebspraktikum gerade bei einem längeren Sprachaufenthalt eine sehr
wertvolle und wichtige Ergänzung darstellt.
Heute ist auch meine letzte Chorprobe mit dem Vancouver Swiss Choir. Es heisst
auch dort Abschied nehmen. Die Mitwirkung im Chor war eine echte Bereicherung
für meinen Aufenthalt hier in Vancouver. Nach der Probe treffen wir uns
- für mich zum letzten Mal - zum üblichen Umtrunk im Restaurant. Und
dann heisst es Abschied nehmen von vielen neuen Bekannten.
Freitag,
28. September:
Heute ist praktisch alles "das letzte Mal": Der letzte Arbeitag, das
letzte Mal auf den Bus und den Skytrain, das letzte Mail Downtown Vancouver.
Im Betrieb ist kein Ausplampen angesagt. Es geht gegen das Monatsende, und die
Buchhaltungen wollen abgeschlossen sein. Also trage ich meine Pendenzen gegen
Null ab, und so um 3 Uhr Nachmittags bin ich soweit. Es bleibt eine Stunde,
um sich einzeln vom runden Dutzend Mitarbeiterinnen und Mittarbeitern zu verabschieden.
Jedem überreiche ich eine Lindt-Schoggi, natürlich made in Switzerland,
und ich scheine den Geschmack getroffen zu haben Auch ich werde mit überschwenglichem
Dank und mit Geschenken bedacht, neben einem herrlichen Bildband über Vancouver
erhalte ich Pralinen aus der ausgezeichneten Confiserie Purdy's. Nach Verlassen
des Betriebs gehe ich nicht direkt zur Skytrain-Station, sondern spaziere spontan
in einem letzten Downtown-Bummel zum Canada-Place, zum Hafen und schliesslich
zur Gastown, vorbei an all den Plätzen, an die ich mich gewöhnt habe
und die ich nun lange Zeit nicht mehr sehen werde.
Heute Abend ist auch der Abschied von der Gastfamilie und von den Homestay-Kollegen
Arthur und Leonardo. Auch hier bleibe ich bei der bewährten Swiss Chocolate
als Abschiedsgeschenk..
Das viel strapazierte Beispiel vom lachenden und vom weinenden Auge beschreibt
meine Stimmung am besten.
N.B. Die Müllabfuhr streikt immer noch, seit 10 Wochen schon! Die Streikkasse
dieser Arbeitnehmerorganisation muss wohl prallvoll sein, um derartige Lohnausfälle
finanzieren zu können. Erstaunlich ist, dass die Stadt offenbar immer noch
nicht im Müll erstickt.
Samstag,
29. September:
Abflug nach Toronto, wo ich in Kanadas Osten eine Woche lang den Indian Summer
mit seiner herrlichen Farbenpracht geniessen möchte. Weitere Tagebucheinträge
erfolgen je nach Internetzugang. Hier in Vancouver breche ich nicht nur meine
Zelte, sondern auch meine Internet-Infrastruktur ab.
Sonntag,
30. September
Auch hier in Toronto scheint der Internetanschluss zu funktionieren. Es war
gestern ein schöner Flug - seit langem sogar wieder einmal ein Fensterplatz
- mit Air Canada, und ich konnte einiges von den unendlichen Weiten Kanadas
von oben erblicken. Herrlich war auch der Landeanflug auf Toronto, mit Blick
auf Stadt und See mit den letzten Sonnenstrahlen bei Sonnenuntergang. Nachdem
ich das Hotel, das gleich am östlichen Rand von Downtown Toronto liegt,
gefunden und das Zimmer bezogen hatte. blieb am Samstag Abend Zeit für
einen kurzen Stadtbummel. Die Temperaturen sind noch relativ hoch, und von der
von mir sehnlichst erwarteten Farbenpracht des Indian Summer sieht man noch
nichts. Es ist alles noch grün. Ich hoffe nun auf ein paar eiskalte Nächte,
welche den Ahornblättern die nötige Rotfärbung verleiht
Nach dem Frühstück und nach dem Aufstellen meiner PC-Infrastruktur mit Internet-Verbindung ist ein Stadbummel angesagt. Ausgerüstet mit Rucksack und einem Stadtplan mache ich mich auf, die Stadt - die ich im Herbst 1983 das letzte Mal gesehen habe - wieder zu erkunden. Dass es Sonntag ist, merkt man hauptsächlich daran, dass die Banken geschlossen haben, der Rest ist geöffnet. So besuche ich auch das riesige Eaton-Einkaufscenter an der Yonge-Street, wo einem damals vor 24 Jahren vor Staunen noch der Mund offen geblieben ist. Heute ist man sich an solch grosse Sachen gewöhnt. Am Bahnhof erkundige ich mich nach einem günstigen Tarif für einen eventuellen Abstecher nach Montréal (Der Normaltarif retour ist glatte 280 Dollar, aber es gibt reduzierte Tarife bis zu 130 Dollar runter. Im Gegensatz zum Fliegen ist in Kanada Zugfahren nur etwas für Wohlhabende!) Gleichzeitig ergattere ich mir - nach langem Anstehen - einen Wochenpass für die städtischen Verkehrsmittel für 30 Dollar. Gegen Abend entschliesse ich mich spontan zu einer Bootsfahrt im Hafengebiet des Ontariosees. Sie bietet einen phantastischen Blick auf die Stadt und die vorgelagerten Inseln. Ich unterhalte mich mit dem Skipper, der gleichzeitig noch die Funktion des Bartenders (auf "Deutsch" = Barkeeper -:) ) innehat - und geniesse dabei ein Glas Rotwein zum günstigen Preis von 5 Dollar.Natürlich hat er noch einen zusätzlichen Steuermann und einen Bootsmaat, der gleichzeitig die Lautsprecher-Erklärungen abgibt. Anschliessend entschliesse ich mich ebenfalls spontan zum Besuch des CN-Towers. Während man beim Vancouver-Lookout einen solchen Entschluss in 5 Minuten in die Tat umsetzen kann, gibt es hier an diesem herrlichen Sonntag Abend eine Wartezeit von über einer Stunde. Da dann der Sonnenuntergang bereits passiert sein wird, verzichte ich für heute darauf. Der rund 550 m hohe CN-Tower ist übrigens seit ein paar Wochen nicht mehr das höchste Gebäude der Welt. Ein sich noch im Bau befindender Turm im arabischen oder asiatischen Raum hat jüngst in der Bauphase diese Höhe übertroffen. Das Restaurant ist allerdings "nur" auf 350 m Höhe, und die obere Aussichtsplattform auf 450 m. Hier die Bilder aus Toronto.
Montag,
1. Oktober
Als erstes mache ich mich heute mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (Tram
und U-Bahn) vertraut. Ich warte gleich an der Tramhaltestelle in der Hähe
des Hotels, als mich eine Einheimische anspricht und mich nach der Tramverbindung
zur Churchstreet fragt, da die normale Verbindung wegen Bauarbeiten unterbrochen
ist und umgeleitet wird. Ich erkläre ihr anhand des am Wartehäuschen
angeschlagenen Plans die geänderte Verbindung, und dass sie trotz gänderter
Route nicht umsteigen müsse. Anschliessend frage ich sie, ob man das Abo
im Tram irgendwie mit dem Magnetstreifen entwerten müsse oder ob man es
einfach dem Fahrer zeigen müsse, da ich nämlich neu hier sei und zum
ersten Mal Tram fahre. Sie erklärt es mir und fragt verdutzt, wieso ich
denn als Neuling ihr derart gut Auskunft habe geben können. Ich besichtige
diverse Sehenswürdigkeiten im Osten und im Norden der Stadt. Am späten
Nachmittag hole ich dann den Besuch des CN-Towers nach Obwohl es praktisch keine
Wartezeiten gibt, hat sich in der Zwischenzeit eine Wolkenbank im Westen gebildet,
so dass der Sonnenuntergang nicht so bilderbuchmässig ausfällt Trotzdem
ist der Rundblick aus 350 m Höhe phantastisch.
Donnerstag,
4. Oktober
Da die Farbenpracht des Indian Summer hier in Toronto immer noch auf sich warten
lässt, probiere ich es weiter nördlich. (Für uns Europäer
liegt Kanada im Norden, es ist aber festzuhalten, dass Toronto etwa auf der
selben geografischen Breite liegt wie Mittelitalien!) Ich fahre mit dem Greyhoundbus
nach Norden, nach Midland an der Georgian Bay, welche ein Teil des Lake Huron
ist. Auf einer Bootsfahrt in der Bay mit ihren 30'000 Inseln geniesse ich die
klare smogfreie Luft, den tiefblauen Himmel und die zum grossen Teil unberührte
Natur. Und tatsächlich, so ganz zaghaft zeigen sich hier die herbstlichen
Farben. Allerdings noch nicht in der Intensität, wie es normalerweise im
Indian Summer der Fall ist. In dieser Gegend fühlt man sich unwillkürlich
an die Lederstrumpf-Romane zurückversetzt, wo Falkenauge und Chingachgook
die Wildnis durchstreiften. Hier
die Bilder dieses herrlichen Ausflugs.
Freitag,
5. Oktober
Heute ist ein strahlender Tag, aber im Gegensatz zum Norden gestern ist es recht
dunstig. Ich beschliesse, den Osten etwas näher zu erkundigen, und fahre
zuerst mit der U-Bahn nach Greek Town, zum griechischen Viertel. Es ist eine
herrliche Ambiance, wenn auch nicht mehr alles so rein griechisch ist hier.
Anschliessend fahre ich von dort südwärts zur Küste, wo sich
der Beach District befindet, eine Einkaufsstrasse und südlich davon der
kilometerlange Strand. Uebrigens führen praktisch dem ganzen Ufer des Ontariosees
entlang Rad- und Fusswege. Hier
die Bilder
Samstag,
6. Oktober
Morgen ist der Rückflugtermin. Noch einen vollen Tag in Toronto und in
Kanada. Ich beschliesse, am Seeufer - oder an der Waterfront wie es hier heisst
- ein Fahrrad zu mieten. Bei der Hinfahrt dorthin wird die Stadt von einem heftigen
Platzregen überrascht, wo man selbst für die zwei-drei Meter von Wartehäuschen
ins Tram völlig durchnässt wird. Am Seeufer flüchte ich in ein
Einkaufszentrum, und nach einer halben Stunde scheint auch bereits wieder die
Sonne. Ich miete mit etwas Verspätung das Rad und erkundige das Seeufer
Richtung Westen. Der Radweg ist ausgezeichnet, aber vom vorangehenden Regen
sind immer noch Pfützen vorhanden, denen man nach Möglichkeit ausweichen
muss.
Sonntag,
7. Oktober
Bündelitag und Rückflug in die Schweiz. Internetverbindung, Uebertragungswagen
und Richtstrahlantenne werden abmontiert. Sendeschluss! Ein unvergesslicher
Aufenthalt geht zu Ende. Als Erinnerung an mein Gastland hier eine besonders
schöne Version der kanadischen
Nationalhymne auf You-Tube. See you all again in Switzerland!
Nachtrag: Anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele in Vancouver im Februar 2010 hat Shane Koyczan eine besonders schöne Beschreibung Kanadas und seiner Bevölkerung vorgetragen: "We Are More"